Am Apollotempel von Delphi war in der Antike deutlich und für alle sichtbar eine kurze und markante Inschrift zu lesen: „Gnothi Seautón“ – „Erkenne dich selbst“. Und auch wenn der ursprüngliche Gedanke „Das Denken über Gott und die Welt“ auf den ersten Blick nichts mit Softwareeinführungen und der damit einhergehenden Implementierung von Innovationen und Optimierung von Unternehmensprozessen zu tun hat, so hat diese Weisheit doch gerade da ihre Gültigkeit. Bietet sich genau hier die Möglichkeit, Unternehmensprozesse zu durchleuchten, neu zu strukturieren und neu zu definieren. Ganz im übertragenen Sinne „Erkenne dein Unternehmen“.

Erst Prozesse, dann Funktionen
Je nachdem, wie umfangreich die Funktionalität der Software sein soll, müssen Unternehmen ihre Prozesse und damit auch ihre Daten im Griff haben oder bekommen. Es ist essenziell, dass alle Beteiligten als Erstes das gleiche Verständnis über ihre Prozesse haben, denn ein gemeinsames Fundament ist immer die Basis des Erfolgs, um so Dein Projekt erfolgreich umsetzen zu können. Ebenso wichtig ist eine gemeinsame Sprache, so dass alle Projektmitglieder auch dasselbe unter denselben Begriffen verstehen. Wenn alle über das Gleiche reden, aber jeder etwas Anderes darunter versteht, werden Projekte auch mit optimierten Prozessen scheitern. Nur auf Basis dieses Fundamentes können verschiedene Datenarten und -felder definiert werden, von verschiedenen Stammdaten über Bestandsdaten bis hin zu Bewegungs-, Rechen- oder Ordnungsdaten. Und erst mit dem tiefen Prozessverständnis können die richtigen Funktionen und Automatisierungen abgeleitet werden. Wenn dies ohne vorheriges genaues Anschauen der Prozesse erfolgt, „übererfüllen“ Unternehmen diese Aufgabe häufig: Es häufen sich Datenfelder oder Funktionen, die später wenig oder gar nicht genutzt werden und eine Softwarelösung unnötig überladen oder verkomplizieren. Sinnvoll ist der Gedanke: „Was tun wir anders, wenn wir diese Informationen haben?“
Was bedeutet das?
Wenn Du beispielsweise eine Anpassung und Erweiterung Deines Prognose- und Planungsprozesses über die Supply Chain vornehmen willst, prüfe jeden einzelnen Prozessschritt und definiere vor allem einheitlich die Antworten auf Fragen, wie beispielsweise:
- Zu welchen Themenbereichen benötige ich valide Aussagen aus der Prognose und Planung?
- Welche Informationen werden wie und aus welcher Abteilung beigesteuert? Welche Rolle spielen sie für den Gesamtprozess?
- Wer hat dafür die Verantwortung je Bereich? Wer für das Gesamtergebnis?
- Was passiert mit den Ergebnissen danach? Welche Entscheidungen / Entscheidungsgrundlagen basieren auf den Ergebnissen? Wie werden sie wieder an die Abteilungen zurückgespielt? Müssen sie das überhaupt?
- In welcher Anwendung werden welche Schritte ausgeführt? Wie werden alle Informationen bzw. alle relevanten Teilinformationen für das Gesamtergebnis zusammengezogen?
Stelle diese und ähnliche Fragen Schritt für Schritt für alle Prozesse, die auf Deiner Digitalisierungslandkarte stehen. Definiere dadurch Deine Daten und Funktionen und wie die Software zielgerichtet in Deine Anwendungslandschaft eingebettet wird. Du musst für eine solche Prozessdefinition keine umfangreichen Dokumente oder Prozessgrafiken erstellen. Das Foto einer von allen wichtigen Stakeholdern gemeinsam erstellten Prozessdarstellung mit Post-Its ist mehr wert, als ein Hochglanz-Prozessdiagramm, das nicht den gelebten Prozessen entspricht.

Prozesse: Standard vs. Individuell
Standardsoftware wird meist entlang von erfolgreichen und etablierten Standardprozessvorlagen entwickelt. Wenn Du von diesen Standardprozessvorlagen stark abweichst, können sich Komplikationen ergeben, die zum Teil erst sehr spät bemerkt werden.
Überlege Dir gut, wann eine Abweichung von etablierten Prozessstandards notwendig ist. In der Regel ist das der Fall, wenn sich Dein Unternehmen vom Wettbewerb unterscheiden möchte und es hier keine Standardsoftware gibt oder diese nicht passt. Sollten Deine Prozesse zu sehr von den Standardprozessen abweichen, ist es unserer Erfahrung nach langfristig günstiger, entweder Deine Prozesse den etablierten Standardprozessen anzugleichen oder eine individuelle Software zu entwickeln. Implementierung von Software, in denen viele Prozesse hochgradig von der Standardprozessvorlage abweichen, ist selten erfolgreich und meistens sehr kostenintensiv.
Unserer Erfahrung nach solltest Du für jede Anforderung in drei Stufen nach einer Lösung suchen:

Eine sinnvolle Evaluierung kann jedoch nur stattfinden, wenn die im Kontext stehenden Unternehmensprozesse geklärt und definiert sind. Denn nur auf Basis dieses Fundamentes können sinnvolle Entscheidungen getroffen und die passende Softwarelösung ausgewählt werden – ganz gleich, ob es sich um eine Standard- oder eine Individuallösung handelt.
Über die Autorin
Maria Miller
Maria Miller ist eine erfahrene IT Projektmanagerin und Beraterin bei BettercallPaul in München. Ihre Schwerpunkte liegen in der fachlichen Prozessgestaltung. Sie hat umfassende Erfahrung in der Projektsteuerung mit kleinen und großen sowie internationalen Teams.
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Schreib mir gerne eine E-Mail: maria.miller@bcxp.de. Ich freue mich auf Deine Kontaktaufnahme!
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